Fokale oder partielle epileptische Anfälle (fokal = herdförmig, nur einen Teil betreffend) gehen von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen stets nur eine Hirnhälfte (Großhirnhemisphäre). Anhand der Symptome des jeweiligen Anfalls kann der Arzt häufig Rückschlüsse auf den Ausgangsort eines epileptischen Anfalls im Gehirn ziehen. Man unterscheidet zwischen
Bei einfachen fokalen Anfällen tritt keine Bewusstseinsstörung auf, das heißt der Patient kann in der Regel selbst die Symptome des Anfalls recht gut beschreiben. Bei komplex fokalen Anfällen ist hingegen das Bewusstsein in unterschiedlich großem Ausmaß gestört und meistens können nur Zeugen, z.B. Angehörige die Anfallssymptomatik genau beschreiben.
Häufig geht einem komplexen fokalen Anfall ein einfacher fokaler Anfall ohne Bewusstseinsstörung voraus. Alle fokalen Anfälle können sich durch Ausbreitung auf beide Gehirnhälften zu einem sekundär generalisierten Anfall – einem Grand Mal Anfall – entwickeln. Die genannten drei Anfallsarten (einfach fokale Anfälle, komplex fokale Anfälle, sekundär generalistische Anfälle) sind charakteristisch für die fokale Epilepsie.
Einfache fokale Anfälle
Einfache fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung können sich, je nach ihrem Ursprungsort im Gehirn, in fünf unterschiedlichen Formen äußern. Sie betreffen
- die Muskulatur (Bewegungsabläufe) (motorische Anfälle),
- die Körperempfindungen (sensible Anfälle),
- die Wahrnehmung von Reizen durch die Sinnesorgane (sensorische Anfälle),
- das unwillkürliche Nervensystem (vegetative bzw. autonome Anfälle) und
- die Psyche eines Patienten (Anfälle mit psychischen Symptomen).
Bei einfach fokalen Anfällen, die nur wenige Sekunden andauern und meist eine sensorische, vegetative oder psychische Symptomatik haben, spricht man von einer Aura, da dieser Anfall nur vom Betroffenen selbst wahrgenommen bzw. „gefühlt“ werden kann und Außenstehenden verborgen bleibt.
Die Aura kann allein auftreten, ist jedoch häufig auch Vorbote eines folgenden komplex fokalen Anfalls mit Bewusstseinsstörung oder geht auch in einen sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfall über, den man auch als „Grand mal“-Anfall bezeichnet. Wie bei allen fokalen epileptischen Anfällen ohne Bewusstseinsstörung können sich Menschen mit Epilepsie an eine Auraerinnern.
Fokale motorische Anfälle
Fokale motorische Anfälle äußern sich in Muskelzuckungen im Gesicht, an Armen und Beinen sowie am Rumpf und gehen von der motorischen Hirnrinde des Frontal- oder Stirnlappens aus. Dabei findet innerhalb des Körpers ein Seitenwechsel statt: Epileptische Entladungen in der linken Hirnhälfte lösen Zuckungen auf der rechten Körperseite aus. Nach einem motorischen Anfall empfinden Patienten häufig noch einige Minuten bis wenige Tage eine Schwäche in der betroffenen Körperregion. Dies wird als Toddsche Lähmung bezeichnet.
Jackson-Anfälle sind eine Sonderform fokal-motorischer Anfälle, bei der die Muskelzuckungen von einer Muskelgruppe zur nächsten „marschieren“ und den ganzen Körper betreffen können. Man spricht daher auch vom Jackson-Marsch.
Eine weitere Sonderform sind Adversivanfälle, die aufgrund der Haltung der Arme auch als Anfälle mit Fechterstellung bezeichnet werden. Dabei dreht der Patient Augen, Kopf oder Körper zwanghaft entweder zur rechten oder zur linken Seite.
Sensible Anfälle
Plötzlich auftretende Kribbel-, Taubheits- oder Wärmegefühle, die im Gesicht, am Rumpf oder in den Armen und Beinen auftreten können, sind Symptomeeines sensiblen fokalen Anfalls. Der epileptische Reiz startet dabei in der sensiblen Hirnrinde des Scheitel- oder Parietallappens. Ein vorübergehendes Taubheitsgefühl im Anschluss an den Anfall ist dabei typisch.
Sensorische Anfälle
Wird das sensorische Nervensystem im Rahmen eines epileptischen Anfalls gestört, spricht man von einem sensorischen fokalen Anfall oder Wahrnehmungsanfall. Er äußert sich durch eine Veränderung der Sinneswahrnehmungen. Patienten hören plötzlich fremde Geräusche, haben einen ungewohnten Geschmack im Mund, sehen Lichtblitze oder haben Schwindelgefühle. Auch hier tritt die Störung jeweils spiegelverkehrt auf: Wird der epileptische Anfall im rechten Hinterkopflappen ausgelöst, kann sich dies durch Sehstörungen im linken Gesichtsfeld bemerkbar machen. Geruchs- und Geschmacksstörungen sind Beispiele für im Schläfenlappen ablaufende fokal-sensorische Anfälle. Die beschriebenen Störungen können auch noch bis zu wenige Tage nach dem eigentlichen Anfall bemerkbar bleiben.
Vegetative bzw. autonome Anfälle
Plötzliches Erröten oder Erblassen, Gänsehaut oder Herzrhythmusstörungen deuten in Zusammenhang mit Epilepsie auf einen vegetativen oder autonomen fokalen Anfall hin.
Die Symptome dieser Anfallsform betreffen das vegetative Nervensystem.
Anfälle mit psychischen Symptomen
Bei Patienten, die einen fokalen Anfall mit psychischen Symptomen durchleben, können beispielsweise Denkstörungen wie Halluzinationen oder Traumzustände auftreten.
Auch Stimmungsschwankungen oder plötzliche Angstgefühle sind typisch für diese Anfallsform. Da der Ursprungsort, der Schläfenlappen, auch das Gedächtnis beeinflusst, kommen zudem Déjà-vu-Erlebnisse bzw. Jamais-vu-Erlebnisse hinzu.Dabei hat der Patient den Eindruck, etwas Unbekanntes schon einmal gesehen zu haben (Déjà-vu) bzw. etwas Bekanntes noch nie gesehen zu haben (Jamais-vu).
Fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung im Überblick
Die folgende Übersicht zeigt Ihnen, welche Symptome auf welche Anfallsart hindeuten. Hier finden Sie auch Informationen zu der Hirnregion, in der ein Anfall vermutlich ausgelöst wurde.